Sonntag, 28. Dezember 2014

Wir waren mal Stars: Hollywood 1994


Sie wurden nicht als Actionhelden geboren. Nicolas Cage gewann, bevor er das erste Mal als Actionstar über die Leinwand hüpfte, erstmal einen Oscar und wurde als ernstzunehmender Charakterdarsteller gehandelt. Liam Neeson etablierte sich nach seiner Oscarnominierung für die Darstellung des Oskar Schindler in Steven Spielbergs Nazi-Drama “Schindlers Liste” als Elite-Schauspieler. Keanu Reeves verdiente seine Brötchen als freakiger Headbanger und um nicht immer wieder in der gleichen Rolle besetzt zu werden, musste sich der in Beirut geborene heranwachsende Star neu erfinden. Erwachsenere Rollen sollten für ihn gefunden werden. Nach vielbeachteten Dramen wie "Dracula" und "Little Buddha" dann plötzlich der Money-Glücksgriff: Von Heute auf Morgen wurde er mit full “Speed” zum Superstar. Sogar Charlie Sheen rastete komplett aus und fragte sich öffentlich: “Wieso dreht der mit Coppola und Bertolucci?”



Genau vor 20 Jahren feierte Reeves seinen dreizigsten Geburtstag und zeigte bei Shootings noch total frech den blanken Hintern in die Kameras der Fotografen. Ganz Sexsymbol eben. “Der wütende Buddha” heisst ein Portrait das Heiko Rosner 1994 in der cinema schrieb. Als “ganz anderen Tough Guy” bezeichnet ihn der Autor, “einer der Härte mit Sensibilität verbinden kann”. Stallone und Co. Hatten zwar mehr Muskeln zu bieten, der Sunnyboy aus “Bill und Teds”-Zeitreise-Telefonzelle, spielte sich nun allerdings nicht nur in die Herzen der Actionnerds, sondern auch in die intimen Tagträume der Damen.



Es war der 7. Juni 1994. Die Sommerhitze schaffte es nicht an den Klimaanlagen des Hotelkomplexes vorbei zu strahlen. Filmteams, Journalisten, Fotografen. Sie alle warteten auf einen englischen TV-Star. Dann betritt Pierce Brosnan: schlank, Vollbart, extrem gutaussehend und total lässig die Bühne. Erst einen Tag vorher, am 6. Juni 1994, haben die Deharbeiten zu seinem TV-Film "Robinson Crusoe" begonnen. 


Jetzt spricht er vor der Pressemeute: “Die Rolle wurde mir ja schon vor 8 Jahren angeboten, doch ich war vertraglich an “Remington Steele” gebunden”: Es ist also offiziell, Pierce Brosnan wird der neue James Bond.


Übernacht ist auf der ganzen Welt nur noch von ihm zu hören und zu lesen, doch "Remington Steele" muss erst mal wieder ans Insel-Set des TV-Crusoe zurück. Am letzten Drehtag ist sein Marktwert schon so hoch gestiegen, dass er für ein paar Nachdrehs anstatt der Gagen-Erhöhung lieber einen Porsche Carrera 911 in Zahlung nimmt und davon düst. Unter Brosnan wird Bond kommerziell ultra erfolgreich, das komplette Jahrzehnt durch bleibt er MI6-Geheimagent, die Filme schwanken zwar in der Qualität, aber Brosnan wurde immer mehr zum Superstar. Mit ihm wird der Agent im Dienste ihrer Majestät zum schillernden Promo-Bond. Ziemlich Posh, mehr Model als Schauspieler, elegant, glamourös, mehr künstliche Marke als lebendiger Charakter. Eine glänzende Litfaßsäule der Sponsoren. 

Peter Travers vom Rolling Stone Magazine verglich “Tomorrow Never Dies” 1997 treffend mit dem gleichermaßen als Popkultur-Sponsoren-Vehikel vermarkteten England-Film “Spiceworld - The Movie”.


“Wenn man die Rolle von Bond annimmt, hat man auch gleichzeitig so etwas wie einen Botschafter-Job inne” analysierte Pierce selbst und warb fortan rund um den Globus auf Werbeplakaten für Uhren, Autos und Cremes. 


Robinson Crusoe wurde übrigens nach dem Dreh erstmal zurückgestellt. Die Produzenten wollten auf den Bond-Hype warten und Crusoe später veröffentlichen. Am Ende schaffte er es weder in den USA noch in den UK zu einer Kinoauswertung. Immerhin: Im Tom Hanks Film “Cast Away” von 2000 wird dem Team vom "Pierce-Crusoe" im Abspann gedankt. 


Kevin Costner dagegen war 1994 bereits schon ein richtiger Megastar. Der Schauspieler aus Kalifornien startete das Jahrzehnt mit einem Oscarmarathon für seinen dreistündigen “Dances with Wolves” der 7 goldene Statuen mit nach Hause nehmen konnte und “Godfather 3”, “Goodfellas” und “Ghost” mit Patrick Swayze in der großen Awardnacht ausstach. Das er sogar als “bester Film” gewinnen sollte überraschte Costner sichtlich selbst. 


Mit dem Rucksack voller Hollywood-Gold machte er sich auf aus Los Angeles die ganze Welt zu erobern. Schon im Juni 1991 lechzte das Videofachmagazin “Video Plus” ihm auf dem Cover hinterher: “Alle sind scharf auf Superstar Kevin Costner”



Nach dem Welterfolg von "Robin Hood" und "Bodyguard" kam niemand mehr an ihm vorbei. Nicolas Cage wollte es derweil seinem Vater zeigen. Nachdem Onkel Francis Ford Coppola bei den Dreharbeiten zu “Rumble Fish” ihn eine Szene bei der er nur auf die Uhr schauen musste, 42 Mal spielen ließ, schlussfolgerte Papa Cage “er soll sich einen anderen Job suchen!” Danach legte Nic so richtig los: “Arizona Junior” Mit den Coen-Brüdern, David Lynchs Raodmovie “Wild at Heart” das Cannes gewann und dann “Leaving Las Vegas”. Der Film mit dem er sich als feinfühlger Alki zu seinem Oscar soff.


Es war im Juni 1996. Über zwei dutzend Kamera-Teams kämpften um einen Platz auf der Insel. Rot-Weisse-Fähren schifften die Schauspieler und Gäste zur Premierenparty. Es duftete nach Popcorn, Stars & Sternchen suhlten sich im Blitzlichtgewitter, immer wieder wurden am Strand Party-Crasher auf Jet-Skis und Windsurfbrettern von der Küstenwache verjagt als eine Propellermaschine über den 500 Köpfen der eingeladenen Schickeria flog, an der ein riesiger Banner mit der Marketing-Phrase des Films befestigt war: “Get ready to Rock”. Nic Cages Vollbart flattert im Wind als er mit der einzigen heißen Blondine des Abends im Arm auf der Gefängnisinsel Alcatraz landet, die nicht lacht. Ihm und seiner Frau Patricia Arquette ist der ganze Rummel sichtlich zu viel. Vielleicht wusste er auch: Nach diesem dekadenten Blockbuster-Konfettibomben-Fest ist es aus mit der Charakterdarsteller-Karriere. 


[Zwei Jahre Später folgte auf den kommerziellen Erfolg von "The Rock" der Actionkracher "Con Air". Wieder mit Michael Bay als Regisseur und Cage diesmal mit der langen Haarmähne bewaffnet, die auch Bays Haupt schmückt. (Europas größte Filmzeitschrift damals, widmete dem Star ein zweiseitiges Portrait)]

Bay und Connery am "The Rock"-Set 1996
Disney lud nicht nur das Filmteam von “The Rock” zur großen Premieren-Sause ein, im Innenhof der Gefängnisinsel ward gar ein riesiges weißes Zelt installiert, samt Filmprojektor und 44-Fuß Leinwand. Eddie Murphy, Robin Williams, Carlos Santana und Disney-Präsident Michael Ovitz hatten abgesagt. Sean Connery ging es eh nicht so gut und als ihn die Journalisten mit Fragen bombardierten, antwortete er nur: “Zurück auf die Gefängnisinsel für diese Premiere kommen, ist der schlimmste Part in der Produktion des Films”. Keiner hat sich den Spaß wohl gewünscht, doch einer ist sichtlich beunruhigt. “Ich habe den Film schon acht Mal gescreent und das ist das ruhigste Publikum mit dem ich ihn jeh gesehen habe” verrät Regisseur Michael Bay, ein schlaksiger, langer Mann, der Berichterstatterin der New York Times. “Ich liebe es solche Filme mit Leuten zu sehen, für die sie gemacht sind. Sie lachen, klatschen und sind einfach viel lauter”. So wird es in der Karriere des Krawall-Papstes auch bleiben. Gehasst von der Presse, geliebt von seinen Fans. Eine Schublade in die es Cage auch bald selber treiben wird. 


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