Sonntag, 9. Dezember 2012

Die Videowelt vor 20 Jahren: The Last Boy Scout


Spulen wir die Zeit mal ein wenig zurück. Vor 20 Jahren gab es keine Blu-Rays, keine DVD’s und keine überteuerten 3D-Kinokarten für Filme die auch locker in 2D funktionieren würden. Zurück spulen musste man auch - die nicht gerade vor Qualität strotzenden - VHS-Kassetten die es in den lokalen Videotheken gab. Nachlässigkeit wurde mit einer Straf-Mark geahndet. Weit entfernt von “downloads”, “streaming” und digitalen Projektionen blieb dem Filmfan jedoch nichts anderes übrig als der Weg zum Videoladen um die Ecke.

Willkommen in einer Zeit, bei der man noch schnell mal einen flotten Spruch aus dem Repertoire zog nach dem man jemanden umgenietet hat, eine Zeit in der Actionstars noch Muskeln und wenig Köpfen brauchten, eine Zeit in der Daman Wayans die Glatze hatte und nicht Bruce Willis. 



Japanische Auto-Werbe-Spots machten keinen Sinn, aber hatten den Star aus “Stirb Langsam” als verkaufsfördernden Werbeträger mit an Bord.



“Last Boy Scout” erklomm locker die Siegertribühne der damaligen Videocharts. Ein Actionkracher der alten Schule. Derbe Sprüche, explodierende Autos und ein ungleiches Paar als quirlige Hauptdarsteller. 

“Das sind die Neunziger, du kannst nicht einfach auf jemanden zu gehen und ihm eine geben, du musst vorher was cooles sagen”
      - So bringt es Joe Hallenbeck alias Willis auf den Punkt

Obwohl Produzent Joel Silver mit "Lethal Weapon"-Drehbuchautor Shane Black und "Top Gun"-Regisseur Tony Scott ein klares "Stirb Langsam"-Remake auf die Beine stellte, ist der Film in seiner Machart doch um einiges radikaler. Das Blut fließt in Strömen, Körperteile und Ausdrücke fliegen durch die Lüfte wie Konfetti, Sekt und Glitzer auf wilden Silvesterpartys. “Fuck you Daddy”, “you are an asshole”, “you are such a fuck-up” keift die 13-Jährige Darian (Danielle Harris - die bis Heute mit 83 vorzugsweise Horrorfilmen zu einer nicht gerade unbekannten Scream-Queen gebracht hat) ihren Vater an. Ein wenig zu vulgär, ein bisschen zu verdorben. Shane Blacks Drehbuch zündete die F-Bombe gefühlte 10 Mal pro Seite. Schneidet man nur die Kraftausdrücke des 90 Minuten Films zusammen, bleiben trotzdem 4 Minuten an reinen Anstößigkeiten.




Trotzdem heimste Black die Rekordsumme von 1,7 Millionen Dollar für sein Script, ohne das es jemand vorher gelesen hätte, ein. Damit war er der erste Drehbuchautor der die Millionen-Dollar-Barriere durchbrach. Übertroffen nur von sich selbst, als er fünf Jahre später gigantische 4 Millionen Dollar für „The Long Kiss Goodnight“ nach einer Versteigerung einsackte. Leute in der Hollywood-Industrie wurden hellhörig, neidisch, sogar sauer. Wie dieser Artikel aus der US-Variety zeigt. Autor Peter Bart – eigentlich ein guter Freund Blacks – echauffiert sich über ein Drehbuch, dass angeblich 1/3 seiner Leser zum kotzen brachte. Du bist nicht mehr nur noch ein "Schriftsteller", du bist mittlerweile eine "Figur der Industrie" schrieb Bart in dem mehrseitigen Memo an seinen Freund. Beruhig dich einfach wieder, schließt er ab. Deine Charaktere sind zu brutal, du hast deine Waffen nicht mehr unter Kontrolle. 


But cool it, kid. Your weapons are out of control. If the French have established a "language police" to protect their native tongue against vulgarization, then Hollywood may have to come up with its own language police to protect against Shane Blackisms.
 Mit dem Drehbuch zu „lethal Weapon“ begann Blacks Hollywood-Karriere. Im gleichen Jahr als er als Soldat Hawkins eine der ersten menschlichen Trophäen für den „Predator“ wurde (Shane startete seine Karriere als Schauspieler), sorgten Riggs und Murtaugh für klingelnde Kassen in Joel Silvers Produzentenbüro. 


Shane Black als Soldat Hawkins in "Predator" 1987
Gedankt hat er es ihm wohl immer wieder. Nach dem kommerziellen Misserfolg von "The Long Kiss Goodnight" ging es bergab mit dem Wunderkind, dass mit nur 23 Jahren ein Drehbuch wie "Lethal Weapon" ablieferte. Partys wurden gefeiert, doch wirklich arbeiten konnte Black nicht mehr, wie er in einem Interview bestätigt. 2005 produzierte Silver dann Shane's Regie-Debut "Kiss Kiss Bang Bang". Nur 15 Millionen Dollar konnte er für den wilden Mix aus Film Noir und Buddy-Komödie zusammen kratzen. Fans lieben den Film, der auch ein großer Erfolg für Robert Downey Junior ist, doch mit nur 4 Millionen Dollar Einspielergebnis in den USA, ist er alles andere als rentabel. Wieder wird es ruhig um Shane Black.



Mittlerweile ist Black jedoch wieder Auferstanden und scheint aus dem Nichts plötzlich am Höhepunkt seiner Karriere angekommen zu sein. Interviews auf der Comic-Con, Gerüchte im Internet streuen  und Fotos mit Kumpel Robert Downey Junior & Don Cheadle machen. 


Comic-Con 2012 
Shane Black schreibt das Drehbuch und führt Regie bei "Iron Man 3". Ein Hochpunkt, ein Triumph, eine schwere Bürde. Im Mai 2013 startet der Bombast-Blockbuster in den Kinos. Eines ist schon jetzt klar: Diesmal wird auch ein Film von Shane Black mal rentabel sein. 


Zurück ins Jahr 1992. Damals wollte Shane einen Film machen, der Tribut an „The Big Sleep“ zollt. "Zum Glück hat The Last Boy Scout ein gewisses Maß an Selbstironie. Doch Black ist kein Raymond Chandlers, Bruce ist nicht Bogart." Urteilte die damals noch recht relevante Kinozeitschrift "cinema". 



cinema, märz 1992



Trotz Ungereimtheiten: Eine 100% Bewertung. Ein Actionspektakel für große Jungs. Trockener Humor und Videoklip-Ästhetik überzeugen die Redaktion. Dabei schafften es nicht wirklich alle Spitzfindigkeiten aus dem Drehbuch in den finalen Film. So schrie Football-Star Billy Cole am Anfang nicht “Ain’t live a bitch”, sondern:



               COLE


I'm going to Disneyland...

Puts the GUN to his helmet. FIRES. 

Regisseur Edgar Wright ("Shaun of the Dead") scheint den Klassiker dennoch zu lieben. Immer wieder zeigt er den Film einem Publikum zum Neu-Entdecken in London's Prince Charles Cinema und LA's New Beverly Cinema
The movie still plays like a dragon eating its own tail, an action thriller framed by flaming air quotes. While completely dismissed by some, it predates the 90′s vogue for meta madness and exhibits the thick ear exuberance of a coked up ‘Kiss Me Deadly’. As you can tell, I highly recommend it.
Vor 22 Jahren sah das alles noch ganz anders aus. "The Last Boy Scout" startete zur Weihnachtszeit, Hollywood-Studios kämpften mit enttäuschenden Ticketverkäufen und Warner baute eher auf den Thriller "JFK" als den fiesen Buddy-Movie-Bastard. Für viel zu brutal wurde der Streifen eingestuft. 

Body Count: 



Die Internet Movie Firearms Database "imfdb" zählt folgende Waffen auf, die in 90 Minuten zu ihrem tödlichen Einsatz kamen. 




Die Kritiker waren sich indes einig. Eines hatten alle zu bemängeln: den Fakt, dass Frauen nicht wirklich etwas zu tun hätten in Tony Scott's nüchternem Actionfeuerwek. Hallenbacks Frau betrügt ihn, seine Tochter flucht sich durch den Tag. Einzig und allein Halle Berry – die damals noch recht unbekannt war – konnte durch ihre Mini-Rolle als exotische Tänzerin “Cory” überzeugen und blieb den Kritikern im Gedächtnis.


Halle Berry als Stripperin Cory
Das beste am Film ist Halle Berry, eine Schauspielerin von der man noch viel hören wird
(Was für prophetische Fähigkeiten die New York Times doch hatte). Dennoch – viel Textil war ihr nicht vergönnt und lange überlebt auch sie im Film nicht. Und mal ganz ehrlich: Für dieses Verbrechen von einer Zebra-Leder-Fransen-Jacke hat sie ihren frühen Screen-Tod auch irgendwie verdient. 

Halle Berry
 I don't think women will want The Last Boy Scout.
Postulierte Kritikerin Kathleen Maher im Austin Chronicle. Wozu auch? Denkt man sich, lehnt sich zurück und genießt einen äußerst bösen, vor Dialogwitz strotzenden Action-Krimi mit Krawall-Szenen die man sich wohl nur vollgekokst auf irgendeiner Pool-Party in LA ausgedacht haben konnte. Die als "MTV-Generation" tätolierte Jugend dankte und nominierte die Helikopter-Schluss-Sequenz als "Best Action Sequence" bei den MTV Movie Awards 1992. 




Auch Willis und Wayans wurden nominiert. Als "Best On-Screen Duo", mussten sich aber den beiden hier geschlagen geben. 


Wie ihr schon merkt. Wir empfehlen diesen fiesen Thriller. 

80%

tödliche "fat wife" Scherze



Trailer: 


Die Blu-Ray auf amazon.de: 




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